Zwei Ereignisse haben in den letzten Wochen die Nachrichtensendungen in Schweden dominiert: Anfang August wurde ein zwölfjähriges Mädchen mitten am Tag von unbekannten Schützen aus einem vorbeifahrenden Auto niedergeschossen. Die Schüsse galten einer rivalisierenden Bande in Botkyrka, einem Vorort von Stockholm.
Und in Angered, einer Betonsiedlung nördlich von Göteborg, Schwedens zweitgrösster Stadt, errichtete vor wenigen Tagen eine andere Bande, ebenfalls mitten am Tag, Wegsperren und kontrollierte Autos, die in das Quartier hineinwollten.
Auch wenn diese beiden Ereignisse in ihrer Unverfrorenheit überraschten, sind die schwedischen Vorortsprobleme nichts Neues: Vor einigen Jahren kam es hier zu schweren Jugendkrawallen und fast täglich sterben bei Schiessereien zwischen rivalisierenden Banden in erster Linie junge Menschen.
40 Clans aus dem Nahen Osten
Für noch grössere Aufmerksamkeit hat nun aber eine Aussage des stellvertretenden schwedischen Polizeichefs gesorgt. In einem Interview mit dem schwedischen Radio erklärte er, dass hinter der eskalierenden Gewalt in den Vorstädten 40 verschiedene Clans stünden, die in den vergangenen Jahrzehnten aus dem Nahen Osten nach Schweden eingewandert seien: «Diese 40 Clans bekämpfen sich gegenseitig und erziehen ihre Kinder zu Kriminellen», hielt Löfving fest.
Laut dem Vize-Polizeichef hätten diese Familiensippen die führende Rolle in Schwedens Unterwelt von Motorradbanden wie den «Hells Angels» oder «Bandidos» übernommen. Neben der Kontrolle verbotener Aktivitäten wie etwa dem Drogenhandel hätten es die Clans aber auch geschafft, die in Schweden sehr grosszügigen Sozialleistungen für sich zu missbrauchen.
Viele junge Menschen wachsen in den Vorstädten ohne jede Perspektive einer Integration in der schwedische Mehrheitsgesellschaft auf.
In der schwedischen Öffentlichkeit wurden die klaren Worte des hohen Polizisten begrüsst, etwa vom Menschenrechtsaktivisten Nuri Kino, der selbst als achtjähriger Flüchtling aus Syrien nach Schweden kam: «Unsere Vorstädte sind zu fruchtbaren Böden für kriminelle Clans geworden. Viele junge Menschen wachsen hier ohne jede Perspektive einer Integration in der schwedische Mehrheitsgesellschaft auf», erklärte Kino in einer Diskussionssendung des schwedischen Fernsehens letzte Woche.
Zur Eröffnung des neuen Parlamentsjahres sprach dann auch der sozialdemokratische schwedische Ministerpräsident Stefan Löfven Klartext: «Eine Migration ohne Integration in Schweden schafft die Probleme, die wir jetzt so deutlich sehen», betonte der Regierungschef im Stockholmer Reichstag. Seine Regierung hat in den letzten Jahren eine betont restriktive Einwanderungspolitik verfolgt.
Mit strikter Einwanderungspolitik ist es nicht getan
Und das hat Folgen: Stellten im Jahre 2015 noch über 160'000 Menschen ein Ayslgesuch in Schweden, waren es im vergangenen Jahr gerade noch 20'000.
Dabei weiss auch Regierungschef Löfven: mit weniger Einwanderung und mehr Polizei alleine werden sich die bereits vorhandenen Probleme in den stark segregierten Vorstädten kaum lösen lassen. Quartiere, die nämlich nur zu schnell wieder in Vergessenheit geraten, wenn nicht gerade unschuldige Kinder niedergeschossen werden – oder Wegsperren errichtet werden.